“Wirkungen von Open Access” – Neue TIB-Studie zu Open-Access-Wirkungen

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Open Access bietet intuitiv viele Vorteile. Wie Umfragen zeigen, haben einige Wissenschaftler:innen dennoch Vorbehalte. Im letzten Jahrzehnt sind viele empirische Studien erschienen, welche fundierte Ergebnisse zu Hoffnungen und Befürchtungen liefern. Was bisher fehlte, war eine umfassende Übersicht zu empirischen Studienergebnissen zu den Wirkungen von Open Access. Um diese Lücke zu schließen, hat die Technische Informationsbibliothek (TIB) im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) die Studie “Wirkungen von Open Access. Literaturstudie über empirische Arbeiten 2010–2021” durchgeführt. Der Bericht zur Studie ist nun veröffentlicht und im Repositorium Renate frei verfügbar. In diesem Blogartikel geben wir einen Einblick in die Ergebnisse.

Über die Studie

Zusammensetzung des Korpus
Zusammensetzung des Korpus (Grafik aus: “Wirkungen von Open Access”, S. 7-8)

In der Recherchephase haben wir durch Suchanfragen in Dimensions, Library, Information Science and Technology Abstracts (LISTA), Scopus und Web of Science mehrere tausend Studien erfasst und anschließend nach Relevanz gefiltert. Die verbleibenden empirischen Studien mit Bezug zu Open-Access-Wirkungen wurden mit Hilfe des Open Access Tracking Project (OATP) und durch Hinweise von Expert:innen erweitert und bildeten schließlich das finale Korpus von 318 Studien.

Die untersuchten Wirkungen verteilen sich auf sieben größere Wirkungsfelder:

  1. Aufmerksamkeit in der Wissenschaft
  2. Qualität wissenschaftlicher Publikationen
  3. Wissenstransfer
  4. Produktivität des Publikationssystems
  5. Nutzung von Publikationen
  6. Ungleichheit im Wissenschaftssystem
  7. Ökonomische Auswirkungen auf das Publikationssystem

Wir haben jeweils die zentralen Studien in diesen Bereichen im Detail gelesen und ihre Ergebnisse in einem systematischen Vergleich gegenübergestellt.

Der Forschungsstand zu Open-Access-Wirkungen

Die empirische Literatur bestätigt mehrere Vorteile von Open Access: Freier Zugang führt zu einer verstärkten Nutzung, auch durch ein diverseres Publikum. Zugleich tragen Open-Access-Publikationen stärker zum Wissenstransfer bei als Forschungsergebnisse, die hinter einer Bezahlschranke veröffentlicht werden. Des weiteren verkürzt Open Access die Dauer des Publikationsvorgangs.

Außerdem zeigt unsere die Übersicht über den Forschungsstand, dass manche Befürchtungen bezüglich Open Access keine empirische Basis haben: Es konnte kein Unterschied zwischen der Qualität von Open-Access- und Nicht-Open-Access-Publikationen festgestellt werden und Verkaufszahlen der Printausgaben von Büchern, die parallel im Open Access verfügbar sind, unterscheiden sich nicht signifikant von zugangsbeschränkten Titeln.

Ergebnisse der empirisch untersuchten Wirkungen von Open Access.
Ergebnisse der empirisch untersuchten Wirkungen von Open Access. (Grafik aus: “Wirkungen von Open Access”, S. 22)

Überraschend mag das Ergebnis zu einem Zitationsvorteil von Open-Access-Publikation erscheinen: Höhere Zitationen werden häufig als Vorteil von Open Access genannt; dies wird auch von den meisten empirischen Studien bestätigt. Ein nicht vernachlässigbarer Teil der empirischen Literatur weicht jedoch von diesem Ergebnis ab. Ein Open-Access-Zitationsvorteil kann daher nicht als eindeutig empirisch bestätigt gelten. Angesichts methodischer Schwierigkeiten in diesem Bereich und einer hohen Plausibilität ist ein Zitatationsvorteil jedoch begründet zu vermuten.

Nur ein empirisches Ergebnis attestiert eine negative Wirkung Open Access: Wenn von Autor:innen Kosten für das Publizieren im Open Access verlangt werden („Article Processing Charges“, APC), können Autor:innen mit geringeren Ressourcen – etwa aufgrund von geringen Einkommensverhältnissen in manchen Weltregionen oder fehlender institutioneller Förderung – von einer Publikation abgehalten werden. Dies ist allerdings keine Wirkung von Open Access an sich, sondern eine Wirkung eines bestimmten Geschäftsmodells.

Weitere Forschung wird benötigt

Während die untersuchten empirischen Studien viele Fragen zu den Wirkungen von Open Access beantworten, haben wir auch einige Forschungslücken identifiziert. Zum einen könnten in fast allen untersuchten Wirkungsfeldern weitere Studien helfen, die bestehenden Ergebnisse zu überprüfen und die Verallgemeinerbarkeit der Aussagen zu verbessern, etwa, indem anspruchsvolle Forschungsdesigns und Methoden verwendet werden, die mögliche Störfaktoren systematischer ausschließen können.

Zu manchen Wirkungsfeldern sind zentrale Zusammenhänge wenig oder noch überhaupt nicht untersucht: Wie verhält sich die negative Auswirkung von APCs auf Ungleichheiten im Wissenschaftssystem zu der positiven Wirkung von Open Access auf die Diversität der Nutzung wissenschaftlicher Publikationen? Wie genau wirkt Open Access auf die Karrierewege von Wissenschaftler:innen? Wer profitiert wie stark von Open Access – und sind die Vorteile für alle  gleich groß oder machen Geschlecht und Zugang zu finanziellen Ressourcen einen Unterschied? Die weitere Beforschung von Open-Access-Wirkungen verspricht, für die weitere Transformation des wissenschaftlichen Publizierens zu Open Access wertvolle Einsichten zu liefern.

Hopf, David, Sarah Dellmann, Christian Hauschke und Marco Tullney. 2022. Wirkungen von Open Access. Literaturstudie über empirische Arbeiten 2010 –2021. Technische Informationsbibliothek (TIB).

https://doi.org/10.34657/7666